Stellungnahme zu den aktuellen Vorwürfen gegen das Neuland
Zunächst möchten wir uns bei allen Betroffenen, bei unseren Gästen und unseren Mitgliedern entschuldigen. Wir haben das Thema Awareness nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit versehen und sind nicht konsequent mit Vorfällen umgegangen. Dadurch haben wir Euer Vertrauen in das Neuland beschädigt. Am 19. September 2024 wurden durch Personen, die sich "Solidaritätskreis Sichere Theke" nennen, gegenüber dem Verein Wostspitze Bochum e.V, der das Neuland betreibt, öffentlich schwere Vorwürfe artikuliert. Sie werfen uns vor, dass durch unser Verschulden Menschen zu Schaden gekommen sind. Dazu möchten wir als Neuland und Verein Wostspitze Bochum e.V. nachfolgend Stellung nehmen.
Disclaimer für Betroffene
Triggerwarnung/Contentwarnung! In dem folgenden Text geht es um sexualisierte und schwere sexuelle Gewalt. Wir möchten darauf hinweisen, dass dies bei manchen Menschen negative Reaktionen auslösen oder retraumatisierend wirken kann.
Zur internen und externen Kommunikation zwischen Juni 2024 und September 2024
Erstmalig Anfang Juni hat der Vorstand des Vereins Wostspitze Bochum e.V. auf öffentlichem Weg Kenntnisse über Vorwürfe schwerer sexueller Übergriffe durch ein Vereinsmitglied erlangt. Daraufhin wurde eine außerordentliche Vorstandssitzung einberufen, in der der Ausschluss dieser Person beschlossen und ein sofortiges Hausverbot erteilt wurde. Bereits zuvor hatte die Betroffene dieser Übergriffe den vertraulichen Austausch zu einzelnen Vereinsmitgliedern gesucht, die dann geholfen haben, die akute Gefahrensituation aufzulösen. Den Vorstand informierten diese Vereinsmitglieder jedoch nicht, um die verabredete Vertraulichkeit zu wahren. Nachdem der Vorstand den Sachverhalt kannte, wurden auch die Mitglieder des Vereins im Rahmen eines kurzfristig anberaumten Mitgliedertreffens am 19. Juni über die Übergriffe informiert, ohne die Identität der Betroffenen offen zu legen. Im weiteren Verlauf wurde auch bekannt, dass es bereits im Herbst 2022 ein Treffen von weiblichen Vereinsmitgliedern gegeben hatte, in dem ein weiterer Übergriff dieser Person thematisiert wurde. Auch darüber wurde der Vorstand aufgrund der vereinbarten Vertraulichkeit nicht informiert. Am 20. Juni fand ein Treffen mit Einzelpersonen aus dem Bochumer linken Spektrum statt. Dabei wurden Vorwürfe gegen das Neuland erhoben, die nahelegen, dass wir derartige Übergriffe strukturell ermöglicht und begünstigt haben. Das haben wir sehr ernst genommen. In Reaktion auf die Ereignisse, Vorwürfe und Diskussionen wurde das Neuland auf Wunsch der beim Mitgliedertreffen vom 19. Juni anwesenden Mitglieder am 24. Juni geschlossen, um Zeit zur kritischen Reflektion und Aufarbeitung der Vorfälle zu gewinnen und strukturelle Defizite anzugehen. Ergebnisse des Diskussionsprozesses waren die längst überfällige Ausarbeitung eines Leitbilds und eines Awarenesskonzepts sowie die Zielsetzung Vorfälle aufzuarbeiten. Dazu hat sich eine Arbeitsgruppe gegründet, deren Mitglieder bis dahin nicht in die organisatorische Arbeit des Vereins eingebunden waren und die daher als unabhängig gelten können. Im Zuge der begonnenen Aufarbeitung wurden Hausverbote gegen einige Mitglieder ausgesprochen, gegen die substanzielle Vorwürfe geäußert wurden. Im Rahmen der Diskussion kündigten zudem Mitglieder des Vorstands ihre Rücktritte aufgrund persönlicher Versäumnisse an, die im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 22. September schließlich satzungsgemäß vollzogen wurden. Am 23. August fand nach rund zwei Monaten eine Wiedereröffnung statt. Zu diesem Zeitpunkt bestand ein Awareness-Konzept, welches durch die oben genannte AG entwickelt worden war. Auch der Prozess der Aufarbeitung zurückliegender Fälle hatte bereits begonnen.
Am 18. September wurden von "Solidaritätskreis Sichere Theke" die Vorwürfe gegenüber
dem Neuland erneuert.
Was wir uns vorwerfen
Sexismus ist in einer patriachal geprägten Gesellschaft ein strukturelles Problem, das leider sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt begünstigt. In der Gastronomie, wo Menschen, die in dieser Gesellschaft sozialisiert wurden, noch dazu unter dem Einfluss von Alkohol aufeinandertreffen, kann es zu verbalen und sogar körperlichen Übergriffen kommen. Für das Neuland gilt hier keine Ausnahme. Über die Jahre gab es bei uns mehrere solcher Vorfälle, die uns bekannt sind, und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Vorfälle, über die wir bis heute keine Kenntnis erlangt haben. Folgendes wollen wir an dieser Stelle aber klarstellen: Bei einigen Menschen ist der Eindruck entstanden, dass bei uns im Laden eine Vergewaltigung stattgefunden hat. Davon haben wir keine Kenntnis. Wir müssen uns in diesem Zusammenhang vorwerfen, dass wir diese Probleme zwar erkannt haben, aber viel zu lange untätig geblieben sind. Wir hatten keine Handlungsmuster, keine geregelte Informationsweitergabe oder Sanktionsmechanismen vorbereitet, die uns geholfen hätten, damit adäquat umzugehen. Aufgrund dieser fehlenden Awareness wurden Vorfälle in der Vergangenheit in einem persönlichen, oft informellen Kontext ausgehandelt. Dies hat dazu geführt, dass Fälle nicht an die entsprechenden Stellen im Verein - insbesondere an den Vorstand, der bspw. Hausverbote und Vereinsausschlüsse vornehmen kann - kommuniziert wurden. Sanktionen wurden entsprechend eher nach persönlichem Ermessen des Fehlverhaltens verhängt. Dabei hatten Vorfälle, die im Vorstand behandelt wurden, durchaus Konsequenzen, aber auch hier haben aufgrund fehlender objektivierter Handlungskriterien ähnliche Mechanismen gewirkt. Wir gehen zudem davon aus, dass durch fehlende oder intransparente Regeln und diffuse Sanktionen Personen womöglich angenommen haben, dass es okay ist, sich im Neuland sexistisch zu äußern und zu verhalten. Was wir uns auch vorwerfen, ist, dass wir den Grund für unsere Schließung zwischen Juni und August nicht gut kommuniziert haben. Zwar wurde die Schließung auch für dringende Renovierungsarbeiten genutzt, hätte aber nicht als "Sommerpause" oder "Umbaupause" bezeichnet werden dürfen. Während der Schließung ist - wie oben beschrieben - deutlich mehr passiert als der bloße Umbau. Durch die intransparente Kommunikation wurde daher gegenüber interessierten Außenstehenden der Eindruck vermittelt, dass wir die Vorwürfe nicht ernst nehmen. Wir müssen uns eingestehen, dass die Aufarbeitung und Selbstreflekion während der Schließung nicht genug im Fokus stand, sondern weiterhin hauptsächlich durch Gespräche unter Einzelpersonen stattgefunden hat. Die Aufarbeitung wurde dabei zu sehr auf die Awareness-AG abgeladen, welche jedoch mit der Erstellung eines Konzepts nahezu ausgelastet war. An dem Punkt wäre es notwendig gewesen, dem Aufarbeitungsprozess mehr Aufmerksamkeit und Zeit zu widmen.
Einordnung
Es tut uns leid, dass wir unserer Verantwortung zu lange nicht im notwendigen Umfang nachgekommen sind. Uns war der Missstand innerhalb unserer Strukturen in seinem vollen Ausmaß nicht bewusst. Dies hat sich geändert, seitdem wir im Juni mit den Vorwürfen konfrontiert wurden. Und auch wenn es uns hart getroffen hat, sind wir dankbar für die Kritik. Die Aufarbeitung der vergangenen Vorfälle ist Aufgabe des Vereins und insbesondere der Mitglieder, die schon über einen längeren Zeitraum aktiv und in Verantwortung an der Gestaltung des Neulands beteiligt waren. Wir sind bereit, uns dieser Verantwortung zu stellen und wollen verlorenes Vertrauen wieder zurückgewinnen. Die Werte, Ziele und Prozesse, die durch die Awareness AG erarbeitet wurden, müssen durch unsere Mitglieder etabliert und dann laufend überprüft und weiterentwickelt werden. Auch an unserer internen und externen Kommunikation müssen wir arbeiten. Deshalb haben wir für beide Themen - Awareness und Organisationsentwicklung - professionelle Unterstützung beantragt. Diskriminierendes Denken ist internalisiert und kann nur durch Selbstreflektion und der Überwindung bisheriger Denkmuster passieren. Hierzu wollen wir einladen und anleiten und somit einen Raum schaffen, in dem wir einander helfen zu wachsen und sich und andere zu schützen. Durch die Veröffentlichung des Artikels des "Solidaritätskreis Sichere Theke" wurde dieser Prozess vorschnell als gescheitert erklärt.
Fazit
Analoges Netzwerken, kultureller Austausch sowie Diversität und Vielfalt prägen das Geschehen im Neuland. Der Verein betreibt einen öffentlichen Treffpunkt mit einer Reichweite, die längst über die Quartiersgrenzen hinausreicht. Dadurch sieht er sich mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Ansprüchen konfrontiert. Die damit verbundene Herausforderung haben wir in der Vergangenheit unterschätzt. Auch können wir für die Zukunft keinen konfliktfreien Raum garantieren. In vielen Gesprächen und auf unserer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 22. September, kam die Frage auf ob, durch den öffentlichen Druck, aber auch wegen der Schwierigkeiten vor denen der Verein und das Neuland beim Umgang mit Sexismus, der Aufarbeitung vergangener Fälle und dem gesamten Entwicklungsprozess standen, das Projekt beendet werden soll. Wir haben uns jedoch dafür entschieden uns dieser Herausforderung zu stellen. Wir sind uns unserer Verantwortung als Betreiber*innen inzwischen bewusst und werden den Prozess mit entsprechender Dringlichkeit weiterführen.
Bochum, den 30.9.2024
Der Vorstand des Wostspitze Bochum e.V. (vorstand@wostspitze.de)
Öffnungszeiten
Sonntag – Mittwoch
Geschlossen
Donnerstag bis Samstag
18:00 Uhr – Open End